Rund 40 Menschen haben sich am dritten Dienstag im September auf dem Münsterplatz eingefunden um sich zum Thema Klimawandel und Gesundheit zu informieren. Nach den letzten beiden Veranstaltungen im August und Juli, war uns schon ein wenig bange, dass uns vielleicht durch die Covid-19- Maßnahmen so langsam die Besucher:innen ausgehen könnten, aber nun blicken wir wieder zuversichtlicher in die Zukunft. Danke, dass Ihr uns auch in schwierigen Zeiten unterstützt, weil: Klimaschutz muss Thema bleiben!
Als ersten Gast haben wir Dr. Winfried Zacher begrüßen dürfen. Er ist Allgemein- und Tropenmediziner, seit 2009 im Ruhestand und berät seitdem ehrenamtlich Kliniken in Afrika. Daneben ist er außerdem als Experte bei Germanwatch tätig und Mitbegründer der deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit.
Der Klimawandel: das größte Gesundheitsrisiko des 21. Jahrhunderts
Seiner Wahrnehmung nach ist der Zusammenhang zwischen Klimakrise und Gesundheit in der Öffentlichkeit noch nicht so richtig angekommen. Bereits 2009 wurde in „The Lancet“, einer der renommiertesten medizinischen Zeitschriften weltweit, die These geäußert, dass der Klimawandel das größte Gesundheitsrisiko des 21. Jahrhunderts darstelle. Mittlerweile ist dies von der Weltgesundheitsorganisation WHO genauso bestätigt worden. Die große Gefahr der Klimakrise liegt vor allem darin, dass medizinische Errungenschaften der letzten 30-40 Jahre durch negative Einflüsse des Klimawandels auf die Gesundheit zunichte gemacht werden.
Laut Dr. Zacher sind die Probleme vielfältig. Sie unterscheiden sich zudem geografisch, regional aber auch je nach sozialer Situation der Menschen. In Europa sind es vor allem Extremwetterereignisse wie Hitzewellen. Bei der Hitzewelle im Jahre 2003 geht man von 70.000 zusätzlichen Toten in Europa, davon ca. 9000 in Deutschland aus. Man vermutet dass die Hitzewelle 2018 ähnlich viele Menschen das Leben gekostet haben könnte, aber es gibt zumindest in Deutschland immer noch keine flächendeckende Erfassung und keine Registrierung der Todesursachen, die einen eindeutigen Rückschluß zuließe. Allerdings werden solche Zahlen in Berlin und Hessen bereits erfasst. Rechnet man diese hoch, so kann man durchaus auf eine ähnliche Auswirkung wie im Jahre 2003 schließen.
Neue und wiederkehrende Infektionskrankheiten
Im Vergleich zu den Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in südlicheren Regionen haben wir in Mitteleuropa zwar noch keine dramatische Situation, aber wir müssen uns darauf einstellen, hier im Laufe der Jahre vor große Herausforderungen gestellt zu werden. Insbesondere siedeln sich bereits jetzt, auch in Deutschland, Überträger (vornehmlich Mücken) für Krankheiten wie z.B. Denge-Fieber oder Zika an, die bisher in eher tropischen Gebieten vorkommen. Die reale Bedrohung ist aktuell eher gering einzustufen, dennoch müssen wir diese Entwicklungen künftig sehr genau beobachten. Ein weiterer Punkt ist die Zunahme von Allergien: sowohl in geografischer und zeitlicher Ausdehnugn als auch in der Schwere der Verläufe kommt es hier schon zu Veränderungen. Allergieauslösende Pflanzen bspw. blühen durch Temperaturanstiege und Verschiebung der Jahreszeiten stärker und mitunter länger, was Allergiker:innen längeres Leiden beschert.
Hier wie auch anderswo auf der Welt
An der Malaria sind bis vor 15 Jahren weltweit jährlich ca. 1 Mio Menschen gestorben. Aktuell sind es „nur noch“ 500.000. Das sind immer noch viel zu viele, markiert aber dennoch einen großen Erfolg. Es besteht aber die Gefahr, dass sich die Lebensbedingungen für die Malariaüberträger durch den Klimawandel verbessern, und dies auch in Gebieten, in denen die Malaria bisher überhaupt nicht vorkam. Unterm Strich ist damit zu rechnen, dass die Malaria künftig wieder deutlich mehr Opfer fordern wird – medizinische Errungenschaften werden durch den Klimawandel zunichte gemacht.
So wird auch die Ausbreitung des Denge-Fiebers, dass vor ca. 30 Jahren in Asien in eher überschaubarem Maße aufrat, unter anderem duch die Klimakatastrophe begünstigt.
Die Länder der dritten Welt werden aber vor allem durch die Änderungen in der Wasserverteilung in Schwierigkeiten mit der Nahrungsmittelversorgung geraten. In Tansania ist z.B. schon zu beobachten, dass sich die Regenmenge zwar in der Summe nicht verändert hat, wohl aber die zeitliche Verteilung. So fällt der Niederschlag, der früher über 3 Monate fiel nun durch Starkregen innerhalb von wenigen Wochen. Dies stellt die Landwirtschaft dort vor enorme Probleme.
Was ist zu tun
Es gibt ganz viele Maßnahmen die ergriffen werden können, wir baten Dr. Zacher die seiner Meinung nach wichtigsten kurz für unsere Besucher:innen zu erläutern:
- Das Gesundheitssystem muss weg von der ökonomischen Ausrichtung zu einem System das den Menschen dient, damit die notwendigen Maßnahmen nicht erst dann angewendet werden, wenn deren Durchführung auch rentabel ist.
- Außerdem müssen wir uns um den Aufbau von Frühwarnsystemen kümmern um neue Gefahren auch rechtzeitig erkennen zu können.
- Und nicht zuletzt muss auch und vor allem im Gesundheitssystem dass Bewusstsein steigen, dass Klimaschutz Gesundheitsschutz bedeutet.
Im Klimawandel-Alltag angekommen
Evelyn Dolfs, Leiterin einer Altenpflegeeinrichtung mit 92 Bewohnern in Nümbrecht im Bergischen Land, hat uns aus ihrem Alltag berichtet, der auch in diesem Sommer wieder mehr als früher von zunehmender Hitze geprägt war.
Die Herausforderungen erscheinen oft trivial und beginnen manchmal schon bei den baulichen Gegebenheiten. In Evelyn Dolfs Einrichtung sind z.B. Klimaanlagen vorhanden, aber das ist bei weitem nicht überall der Fall. In einigen, älteren Pflegeeinrichtungen hat man bei deren Bau aus Kostengründen auf Rollos verzichtet und sieht sich jetzt damit konfrontiert, an heißen Tagen die Räume der Bewohner:innen lediglich mit den innen angebrachten Vorhängen verschatten zu müssen. Jeder der das einmal in den eigenen vier Wänden versucht hat, weiß, dass dies fast unmöglich ist – vor allem wenn die Hitze über viele Tage anhält.
Hitzekonzepte gefragt
Früher gab es für die Mitarbeiter:innen der Pflegeeinrichtung ein Hitze-Infoblatt auf dem z.B. vermerkt war, wie man Symptome eines Hitzschlags erkennen kann. Heutzutage sind dagegen umfassende Hitzekonzepte nötig in denen eine Vielzahl von Maßnahmen beschrieben wird. Das reicht von der kühlen Lagerung von Medikamenten, über die Überwachung der Raumtemperaturen, die Regeln für das Lüften der Wohnräume bis hin zur Unterstützung der Heimbwohner:innen beim Ausreichenden Trinken.
Kaum ein Bereich bleibt unberührt
In den meisten Fällen achtet man bei älteren Menschen darauf, dass sie ausreichend Bewegung bekommen, damit die Muskulatur erhalten bleibt. Dies ist bei anhaltenden Hitzewellen schwierig – bereits nach wenigen Wochen baut sich die Muskelmasse ab, was die Gefahr von Stürzen erhöht.
Auch bei der Ernährung und dem Betrieb der Küchen in den Pflegeeinrichtungen sind Auswirkungen sichtbar. Die Planung der Mahlzeiten über mehrere Tage hinweg wird schwieriger, da auf höhere Temperaturen ggfs. schnell reagiert werden muss, obwohl die Zutaten bereits eingekauft sind.
Durch die vermehrten Hitzesommer wird auch die Belastung der Pflegekräfte ansteigen, es ist aber noch nicht eingeplant, dass dazu auch personell aufgestockt werden müsste. Alleine die genaue Beobachtung der Senior:innen, die sich aufgrund ihrer Erkrankungen, durch z.B. einen Schlaganfall, nicht gut äußern können, erfordert mehr Aufmerksamkeit und Zeit. Auch notwendige Verhaltensanpassungen der Bewohner:innen um der Hitze gerecht werden zu können, erfordern mehr Einfühlungsvermögen, Gespräche und damit letzen Endes wiederum Zeit.
Last but not least …
Die musikalische Begleitung haben wie schon so oft Gerd Schinkel und gw. Spiller übernommen. Diesmal drehten sich ihre Songs allerdings weniger um direkte Effekte oder Ursachen des Klimawandels, sondern um ein anderes Gesundheitsthema, nämlich Covid-19 und die daraus erwachsenden Probleme wie häusliche Gewalt oder die Trennung von einander nahestehenden Menschen infolge der Kontaktbeschränkungen. Bei dieser Gelegenheit wurde uns einmal mehr eindrucksvoll klar, dass es wohl kein relevantes Thema unserer Zeit geben dürfte, zu dem Gerd Schinkel nicht schon mindestens einen Song verfasst hat.
Vielen lieben Dank an alle unsere Gäste, Besucher:innen und wer sonst noch zum Gelingen dieser September-Klimawache beigetragen hat. Wir freuen uns jetzt schon auf den 20. Oktober!